„WIR HABEN AFRIKANISCHEN RHYTHMUS IM BLUT“

„WIR HABEN AFRIKANISCHEN RHYTHMUS IM BLUT“

25. April, 2016 10.00 Uhr

Der FC Ingolstadt 04 ist ein multikultureller Verein und international aufgestellt – so spielen bei den  Schanzern Fußballer aus allen Kontinenten. Zwei Profis des FCI haben dabei afrikanische Wurzeln: Danny da Costa und Elias Kachunga. Im großen Schanzer-Bladdl-Interview sprechen die Beiden u.a. über die Heimat ihrer Eltern und ihr Leben abseits des Fußballplatzes.
fci.de: Danny, dein Papa ist Angolaner und deine Mama Kongolesin. In wieweit haben dich deine afrikanischen Wurzeln bis heute geprägt?

Danny da Costa: Ich bin in Deutschland geboren und aufgewachsen und weiß somit nicht aus erster Hand, was es bedeutet in Afrika zu leben. Deshalb ist das schwer zu beantworten. Mein Vater war in meiner Kindheit immer besonders streng und hat darauf geachtet, dass ich in der Schule und beim Fußball immer 100% gebe und mich voll und ganz darauf konzentriere. Deshalb hab ich auch mein Abitur so durchgezogen. Mein Vater ist in Afrika aufgewachsen und hat schon versucht, meinen Schwestern und mir das zu vermitteln, was ihn dort geprägt hat.

fci.de: Elias, wie ist das bei dir? Hat sich das Heimatland deines Papas auf deine Erziehung ausgewirkt?

Elias Kachunga: Ich denke schon. Bezeichnend sind dabei vor allem die großen Familienfeste, auf denen man die vielen Angehörigen trifft. Auf diesen Feiern geht es sehr locker zu und es sind auch sehr viele Kinder dabei. Insgesamt gibt es aus meiner Sicht keinen so großen Unterschied zwischen der Erziehung in Afrika und hier in Deutschland.

fci.de: Sprecht ihre die jeweilige Landessprache auch? Oder habt ihr in eurer Kindheit zu Hause ausschließlich deutsch gesprochen?

Kachunga: Wir haben eigentlich mehr Deutsch gesprochen, damit mein Papa auch die Sprache lernt. Natürlich wollte uns mein Vater auch seine Sprache beibringen. Als ich klein war, hatte ich dazu leider nicht so viel Lust. Das bereue ich im Nachhinein schon ein bisschen. Trotzdem kann ich mich mit den Verwandten auf Englisch oder Französisch verständigen.

da Costa: Bei mir ist es ähnlich. Meine Eltern wollten ihr Deutsch verbessern und für meine Geschwister und mich war das ja auch die Sprache mit der wir groß geworden sind. Meine Eltern haben sich schon untereinander hin und wieder auf Lingála, das ist ein Dialekt aus dem Kongo, unterhalten. Ich hätte vor allem gerne Portugiesisch, die Sprache meines Vaters, gelernt. Das ist schon schade, dass ich das verpasst habe.

fci.de: Habt ihr noch Verwandte in Angola oder dem Kongo?

da Costa: Meine Oma lebt noch in Angola, genauso wie einige Onkel und Tanten väterlicherseits. Die Familie meiner Mutter ist damals gemeinsam nach Deutschland gekommen und lebt heute in Neuss.

Kachunga: Ich habe noch viele Verwandte, die in Goma, einer Großstadt im Kongo, wohnen. Ein paar Geschwister meines Vaters waren anfangs auch in Deutschland. Bis auf eine Tante und einen Onkel, die auch noch hier leben, sind einiger meiner Verwandten nach England und Kanada gezogen.

fci.de: Konntet ihr das jeweilige Heimatland eurer Eltern auch schon einmal selbst besuchen? Welche Erfahrungen habt ihr dort gemacht?

da Costa: 2013 war ich das erste und bisher einzige Mal in Angola, in der Hauptstadt Luanda. Ich war mit meinem Papa dort und wir haben bei meinem Onkel übernachtet. Es fällt natürlich schon sofort auf, dass sich das Leben dort schon extrem von dem hier in Deutschland unterscheidet. Auffällig ist aber, dass die Menschen dort, obwohl sie so wenig haben, sehr viel Lebensfreude ausstrahlen. Diese Erfahrung war sehr cool und ich möchte sehr gerne noch einmal hinfliegen.

Kachunga: Ich war vor zwei Jahren im Kongo und hatte eine richtig gute Zeit da. Es hat mir sehr gefallen, das Leben meiner Verwandten und die Kultur vor Ort kennenzulernen. Ich möchte sobald wie möglich wieder hinfliegen und das auch in Zukunft regelmäßig tun. Mir ist es schon wichtig, den Kontakt zu meinen Verwandten zu halten.

fci.de: Welche Bräuche oder Feste aus Angola oder dem Kongo feiert ihr auch in Deutschland?

Kachunga: Die Hochzeiten und Kindergeburtstage unterscheiden sich ein wenig von den Festen in Deutschland. Hier ist immer wahnsinnig viel los. Und es werden Bräuche und Rituale gepflegt. Das muss man wirklich selbst einmal erlebt haben.

da Costa: Das stimmt. Ich kann mich an die Hochzeit meines Onkels erinnern, da waren am Ende fast 500 Gäste da und das Brautpaar kannte nicht einmal jeden, der dabei war. Es wird viel gegessen, viel gelacht und die Stimmung ist super ausgelassen.

fci.de: Elias, du hast uns verraten, dass du im Kongo auch landestypische Kleidung von deinen Verwandten bekommen hast. Wie hast du das erlebt?

Kachunga: Als ich dort zu Besuch war, wurde tatsächlich extra für mich ein Outfit angefertigt. Normalerweise ist dort eine lange Hose dabei – ich habe allerdings eine kurze Hose bekommen. Meine Tanten waren dafür sogar mit mir beim Schneider vor Ort und es musste unbedingt fertiggestellt werden, bevor ich zurückgeflogen bin. Das war meinen Verwandten sehr wichtig und ich trage das auf Familienfeiern schon gern – das ist schon etwas Besonderes.

fci.de: Gibt es landestypische Speisen, auf die ihr auf keinen Fall verzichten möchtet?

Kachunga: Auf jeden Fall Fufu. Das ist ein fester Brei aus Maniok oder Yams und Kochbananen. Er ist in Afrika Hauptbestandteil oder Beilage vieler Gerichte. In jedem Land wird es ein wenig anders zubereitet. Man isst es mit Fleisch und ein wenig Tomatensauce und benutzt dabei die Hände. Benjie, das sind süße Teigbällchen, esse ich auch sehr gerne und freue mich immer sehr, wenn ich bei meinen Tanten bin, die das für uns kochen. Da kann man sich immer den Bauch vollschlagen (lacht).

fci.de: Stichwort Freizeit: Welche Rolle spielt Musik in eurem Leben?

da Costa: Ich höre sehr gerne und sehr viel Musik. Vor Spielen höre ich eigentlich die ganze Zeit meine Songs, um ein bisschen für mich zu sein, den Kopf frei zu haben und die Abläufe durchzugehen, die vielleicht im Spiel auf mich zukommen. Da ich sehr gerne tanze, höre ich sehr gerne Musik – vor allem Hip Hop. Dazu habe ich Lieder auf meiner Playlist, die auch zum Teil aus meiner Heimat stammen und hier nicht so bekannt sind. Meine Mutter singt auch regelmäßig mit ihren Eltern in ihrer Kirche bei Gottesdiensten. Generell werden in der Kirche sehr viele stimmungsvolle Lieder gesungen.

Kachunga: Wir haben auf jeden Fall Rhythmus im Blut. Ich kenne fast keinen Afrikaner, der wenig mit Musik am Hut hat. Ich höre auch gerne afrikanische Musik – egal, ob diese aus dem Kongo, Nigeria oder Ghana kommt. Ich mag die afrikanischen Rhythmen einfach, darauf kann man wunderbar tanzen. Mein kleiner Bruder macht auch selbst Musik und singt in unserer Gemeinde in der Kirche mit.


fci.de: Könnt ihr den FCI-Fans Tipps geben, wenn sie jetzt durch euch auf afrikanische Musik aufmerksam geworden sind?

Kachunga: Fally Ipupa, Koffi Olomide sind berühmte kongolesische Sänger. Wizkid ist ein Shootingstar aus Nigeria.

da Costa: Noch ein cooler Rapper ist Maître Gims. Er ist im Kongo geboren, rappt auf Französisch, aber auch zwischendurch in seiner Heimatsprache.

fci.de: Profifußballer werden immer mehr auch zu Vorbildern in Sachen Mode. Inwieweit sind euch Klamotten wichtig?

Kachunga: Mir ist das schon wichtig und ich mache mir gerne Gedanken darüber, was ich anziehe. Ich beobachte auch, was modetechnisch so passiert. Meine Freundin ist Stylistin und von daher hab ich da zu Hause auch jemanden, der sich damit auskennt (grinst).

da Costa: Bei mir hält sich das in Grenzen. Ich laufe eigentlich die ganze Zeit in Jogginghosen rum (lacht). Meine Schwäche sind Sneakers. Das ist mein Tick. Wenn ich ein Paar gute sehe, muss ich die haben.

fci.de: Auch im Bereich Social Media gab es in den letzten Jahren eine riesige Entwicklung. Warum nutzt ihr diese Kommunikationskanäle?

da Costa: Ich persönlich nutze das eher privat, um mit Freunden und Bekannten in Kontakt zu bleiben oder zur Unterhaltung. Auf Facebook und Co. findet man jeden Tag lustige Videos.

Kachunga: Ich nutze Instagram, Twitter und Facebook. Anfangs habe ich das nur aus Spaß genutzt. Während den letzten Jahren ist es schon viel professioneller geworden. Trotzdem nutze ich das nicht regelmäßig, sondern immer dann, wenn ich Lust und Laune habe. So kann ich die Fans ein wenig an meinem Leben teilhaben lassen.

fci.de: Zurück zum Fußball: Würdet ihr sagen, dass Teile eures Spielstils typisch afrikanisch sind?

Kachunga: Fast jedem Afrikaner ist Schnelligkeit in die Wiege gelegt worden (lacht). Dazu kommt das große Kämpferherz, um sich gegen Widerstände durchzusetzen. Ich habe von zu Hause mit auf den Weg bekommen, mehr zu machen als die Teamkollegen.

da Costa: Ich glaube, dass wir Afrikaner oft körperliche Vorteile haben und versuchen, das in unser Spiel zu integrieren. Ich kann Kache nur zustimmen: Wenn man den Weg bis ganz nach oben schaffen möchte, braucht man diesen unbändigen Willen, hart an sich zu arbeiten. Diese Mentalität wurde mir definitiv übertragen.


fci.de: Gab es im Laufe eurer Karriere vielleicht auch die Überlegung für das Heimatland eurer Eltern zu spielen?

da Costa: Ich hatte tatsächlich einmal eine Anfrage, für Angola zu spielen. Aber ich habe mich dagegen entschieden, weil ich weder die Sprache spreche noch die Nationalhymne mitsingen könnte. Das ist aus meiner Sicht schon wichtig, mit voller Überzeugung für sein Land zu spielen. Natürlich habe ich mich aber über die Einladung gefreut.

Kachunga: Bei mir war es so, dass ich das Nationalteam Kongos intensiver beobachtet habe. Im letzten Jahr hätte ich im Januar beim Afrika Cup mitspielen können. Es war zwar schön, dass sich der Trainer und der Kapitän bei mir gemeldet haben, aber ich habe damals mit meiner Familie entschieden, zu Hause zu bleiben. Ich wollte mich zunächst in der Bundesliga stabilisieren und nicht Teile der Vorbereitung verpassen. Aber natürlich habe ich diese Überlegungen in meinem Kopf, vor allem weil ich sehr engen Kontakt zu dem Land habe. Mal sehen, was die Zukunft so bringt.

fci.de: Danny, du bist im erweiterten Kreis derjenigen Spieler, die sich berechtigte Hoffnungen auf eine Teilnahme bei den Olympischen Spielen machen können. Wie schätzt du hier die Situation ein?
da Costa: Das ist noch relativ weit weg und deshalb denke ich aktuell nicht so viel darüber nach. Ich möchte beim FC Ingolstadt 04 weiterhin meine Leistung bringen – alles andere kann ich sowieso nicht beeinflussen. Letztendlich entscheidet Horst Hrubesch, welchen Kader er nominiert. Es wäre natürlich eine tolle Sache, aber so lange die Saison noch läuft, konzentriere ich mich auf die Schanzer.

fci.de: Das Ziel der Schanzer ist mit dem Klassenerhalt geschafft! Wie schätzt ihr die bisherige Saison ein?

da Costa: Wir können schon stolz auf das sein, was wir bisher geleistet haben. Das hat uns vor der Saison sicher kaum jemand zugetraut. Wir haben auch während der Saison noch einmal eine Entwicklung genommen. Als Team sind wir sehr eng zusammengerückt. In Spielen, in denen wir vor der Partie auf dem Papier individuell unterlegen waren, haben wir mit enorm viel Willen und Teamgeist überzeugt und gepunktet. Das zeichnet uns die gesamte Saison über aus. Wir haben auch von außen keine Unruhe ins Team kommen lassen und haben uns nicht beirren lassen. Wir können am Ende der Saison auf ein großartiges Jahr zurückschauen und mit viel Selbstvertrauen in die Pause gehen.

Kachunga: Die Mannschaft hat auf jeden Fall eine super Saison gespielt und wir haben das große Ziel Klassenerhalt geschafft! In der Sommerpause heißt es, sich für die zweite Bundesliga-Saison zu wappnen. Denn das wird noch einmal ein anderes Kaliber. Denn die Teams wissen jetzt, was auf sie zukommt, wenn sie gegen den FC Ingolstadt 04 spielen und werden uns nicht mehr unterschätzen, wie es zum Teil in dieser Saison der Fall war.