5 Geschichten zum Spiel gegen den 1. FC Magdeburg

4. Auflage dieses Duells, erstmals und hoffentlich letztmals ohne Fans (Foto: Bösl / KBUMM).

5 Geschichten zum Spiel gegen den 1. FC Magdeburg

30. Juni, 2020 09.00 Uhr

Seit acht Begegnungen ungeschlagen, bestes Auswärtsteam und sechsmal in Folge ohne Gegentor – die aktuellen Ergebnisse und Statistiken des FC Ingolstadt 04 belegen eindrucksvoll die wiedererlangte Konstanz, Teamgeist, Wille und den Glauben an die eigene Stärke. Noch 180 Drittligaminuten in dieser Saison – alles, wirklich alles ist möglich. Vorletzter Prüfstein der laufenden Spielzeit ist am Mittwoch der 1. FC Magdeburg. Anpfiff im Audi Sportpark ist um 19 Uhr. Mit unseren fünf kleinen Geschichten wollen wir auf das letzte Heimspiel der Saison einstimmen. Sie handeln diesmal von einer goldenen Vergangenheit, einer Trainer-Reizfigur für die Stasi, die Abgehörtes aus der FC Bayern-Kabine nicht verwerten wollte, Beton, der Future-Card und im Hinspiel außerordentlich effektiven Donaustädtern, die sich auch beim Wiedersehen gerne ähnlich ergiebig präsentieren dürfen.

Goldene Vergangenheit
Der 1. FC Magdeburg zählt zu den erfolgreichsten Mannschaften des DDR-Fußballs. Mit Ausnahme der Saison 1966/67 spielten die Magdeburger von 1960 bis 1991 in der höchsten Spielklasse, der DDR-Oberliga. Der Club wurde dreimal Meister, siebenmal Pokalsieger und verbuchte 1974 mit dem Gewinn des Europapokals der Pokalsieger den größten Erfolg der Vereinsgeschichte. Überhaupt gilt die Spielzeit 1973/74 bis heute als die erfolgreichste Saison der Vereinsgeschichte. Nachdem die Mannschaft zur Winterpause mit drei Niederlagen auf dem zweiten Tabellenplatz lag, blieb sie in der Rückrunde unbesiegt. In der Schlussphase der Meisterschaft trafen an den letzten drei Spieltagen die drei direkten Konkurrenten Magdeburg, Jena und Dresden jeweils direkt aufeinander. Die junge Magdeburger Mannschaft, die mit einem Durchschnittsalter von 22,3 Jahren die jüngste Meistermannschaft in der Geschichte der DDR-Oberliga war, musste ihre Duelle auswärts bestreiten und gewann beide Spiele mit 2:1 (Jena) und 1:0 (Dresden). Neben dem zweiten DDR-Meistertitel war der Gewinn des Europapokals der Pokalsieger der größte Erfolg in der Vereinsgeschichte des FCM. Nachdem im Halbfinale Sporting Lissabon besiegt wurde, triumphierte die Mannschaft im Endspiel in Rotterdam vor der Minuskulisse für Europapokalendspiele von 4.644 Zuschauern gegen den Titelverteidiger AC Mailand mit 2:0 und wurde somit zum einzigen Fußballklub der DDR, dem ein Europapokal-Triumph gelang. Darüber hinaus ist der 1. FC Magdeburg bis heute zusammen mit der Europapokalsiegermannschaft von Celtic Glasgow 1967 der einzige Verein, der ausschließlich mit Spielern aus der eigenen Region den Europapokal gewann. Dabei war die Tatsache, dass sämtliche Spieler aus dem Bezirk Magdeburg kamen, selbst für den DDR-Fußball ungewöhnlich.

Heinz Krügel – Reizfigur für die Stasi, Kultfigur für die Fans
Heinz Krügel ist der erfolgreichste Trainer der Magdeburger Vereinsgeschichte und genießt bis heute bei den Fans absoluten Kultstatus. Der im Jahr 1921 geborene ehemalige DDR-Nationalcoach wechselte 1966 von Halle nach Magdeburg mit der Vorgabe, die Blau-Weißen nach deren Abstieg umgehend wieder in die Oberliga zu führen. Das Vorhaben gelang und damit begann nicht nur Krügels erfolgreichste Zeit als Trainer, sondern auch die des 1. FC Magdeburg. Als Wiederaufsteiger kamen die Sachsen-Anhaltiner sofort auf den dritten Platz und gewannen im folgenden Jahr 1969 den FDGB-Pokal. 1972 konnte Magdeburg die erste Fußballmeisterschaft feiern, der unter der Regie von Heinz Krügel 1974 und 1975 zwei weitere Titelgewinne folgten. 1973 holte der 1. FCM zudem zum zweiten Mal den DDR-Pokal. Alle diese Erfolge wurden jedoch überstrahlt vom Gewinn des Europokals der Pokalsieger.

1976 wurde Krügel vom DDR-Fußballverband als Trainer auf Lebenszeit gesperrt mit der Begründung, er habe die Leistungsentwicklung der Olympiakader des 1. FC Magdeburg ungenügend gefördert. Wie Krügel später berichtete, sei ihm in einem Gespräch mit Verbandsfunktionären außerdem mitgeteilt worden, er sei als Fußballtrainer untragbar, weil er ein „Ost-West-Versöhnler“ wäre. Als wahrer Grund ist anzunehmen, dass Krügel unter anderem eine Beeinflussung seiner Arbeit durch die SED-Bezirksleitung nicht zuließ und beim Achtelfinale-Europapokalspiel gegen den FC Bayern München 1974, die von der Stasi in der Halbzeitpause abgehörten Anweisungen des Bayern-Trainers Udo Lattek nicht verwerten wollte. Krügel wurde als „Objektleiter“ zur unterklassigen BSG Motor Mitte Magdeburg abgeschoben und erst 1996 durch den DFB rehabilitiert. 2009 – im Jahr nach Krügels Tod – beschloss der Magdeburger Stadtrat, den Platz vor dem Magdeburger Stadion nach ihm zu benennen. 2013 startete der FanRat e. V. des 1. FC Magdeburg eine Initiative zur Ehrung seines ehemaligen Erfolgstrainers, indem vor dem Stadion am Heinz-Krügel-Platz ein Denkmal errichtet werden sollte. Durch den Kauf einer symbolischen Anteilsaktie im Wert von 19,74 Euro, in Anlehnung an das Jahr des Europapokalsieges, sollten 25.000 Euro eingesammelt werden. Letztendlich kamen über 27.000 Euro zusammen, und die lebensgroße Statue als postume Ehrung für Heinz-Krügel konnte am 17. August 2014 enthüllt werden.

Beton trifft auf Beton
Mit unseren Schanzern und dem 1. FC Magdeburg treffen am Mittwoch zwei Betonabwehrketten aufeinander. Während die Schanzer mit nur 38 Gegentoren in 36 Ligaspielen aktuell den Bestwert ausweisen – und bekanntlich mit sechs Partien in Folge ohne Gegentreffer einen neuen Vereinsrekord aufstellten – mussten die Blau-Weißen nur zweimal öfter den Ball aus dem eigenen Netz holen. Weitaus größer ist der Unterschied beider Teams im Vergleich von Spielen ohne Gegentor. Zwölfmal in dieser Saison hielten Fabijan Buntic und Marco Knaller ihren Kasten sauber, „nur“ sechsmal gelang dies dem Tabellenfünfzehnten.


Verteidigte hüben wie drüben: Romain Brégerie, 2015-2018 bei den Schanzern, 2018-2019 in Magdeburg (Foto: Bösl / KBUMM).

Future Card
Wie viele ehemalige „Ostvereine“ hat auch der 1. FC Magdeburg eine sehr bewegte Vergangenheit hinter sich. Mehrmaliger Meister und Pokalsieger und das einzige DDR-Team mit Europacuptrophäe in der Vitrine – soweit die eine Seite der Medaille. Die andere: Vor der Regionalliga-Saison 2001/2002 stand der FCM kurz vor dem finanziellen Kollaps, im Sommer hatten sich alte Schulden und das notwendige Geld für den neuen Spielbetrieb summiert, es fehlten mehrere Millionen Euro. Der Sponsor „Kinowelt“ ging im Streit. Das damalige Präsidium hatte die rettende Idee namens „Future-Card“. Spektakulär: Für einen Mindestpreis von 250 Euro – die meisten Fans gaben mehr – wurde knapp 2.700mal die Zukunft verkauft. Inhalt und Slogan: „3 Superspiele … Sie sind dabei!“ Mit der Future-Card erwarben die Besitzer den Eintritt zum ersten Regionalligaspiel der neuen Saison und – damals reines Wunschdenken – den Einlass zum ersten Spiel in einem neuen Stadion und zu einem möglichen ersten Zweitligaspiel. 17 lange Jahre später war es dann tatsächlich soweit. Zur Saison 2018/2019 war der 1. FCM in die Zweite Liga aufgestiegen und bestritt am 5. August sein erstes Heimspiel gegen St. Pauli. Übrigens wurden nur 365 Future-Cards gegen eine Eintrittskarte getauscht – alle anderen schätzten den symbolischen Wert als Andenken höher ein.

Gnadenlos effektiv
Im Hinspiel ein Tag nach Nikolaus fanden die Magdeburger, lautstark angefeuert von rund 16.600 Zuschauern in der MDCC-Arena, besser in die Partie und verzeichneten erste Torannährungen, die aber die Abwehr um Nico Antonitsch und Co. vor nicht allzu große Probleme stellte. Doch während die Hausherrn vor dem Tor die Präzision vermissen ließen, zeigte sich der FC Ingolstadt 04 eiskalt: Mit der ersten gefährlichen Aktion stellte Maxi Beister auf 1:0, als er eine Flanke von Marcel Gaus per Direktabnahme technisch anspruchsvoll verwandelte (21.). Der zweite Durchgang gehörte zuerst erneut den Magdeburgern, doch blieben klare Torchancen weiterhin Mangelware für die Blau-Weißen. Während der 1. FCM sich weiter vergeblich um den Ausgleich mühte, zeigte sich der Gast von der Donau auch im zweiten Durchgang kaltschnäuzig. Nachdem Stefan Kutschke mit Oberschenkelproblemen vom Platz musste, kam Dennis Eckert Ayensa (78.), der nur drei Minuten nach seiner Einwechslung zuschlug. Björn Paulsen passte in die Gasse und der eingewechselte Stürmer machte per Schuss ins lange Eck das Tor zum 2:0-Endstand. Ein gnadenlos effektiver Auftritt der Schanzer. Gerne nochmal…