Mölders, Kaiser, Boazn Kini: 5 Gschichtn zum Spiel gegen Sechzig

Siegreiche Schanzer im Grünwalder Stadion gegen 1860 München (Foto: Bösl / KBUMM)

Mölders, Kaiser, Boazn Kini: 5 Gschichtn zum Spiel gegen Sechzig

17. Januar, 2021 11.00 Uhr

Das Topspiel der Liga steht bevor und es ist eines mit vielen Emotionen: Die Sechziger aus München empfangen am Montagabend (19.00 Uhr) die Schanzer vom FC Ingolstadt 04. Eine für beide Teams sehr wichtige Partie und damit ist die Vorfreude darauf garantiert, wenn unter Flutlicht das Hinrundenfinale im Grünwalder Stadion ausgetragen wird. Um eure Vorfreude jedoch noch ein bisschen zu steigern, haben wir hier unsere kleinen fünf Geschichten zum Duell mit den Sechzigern. Auf geht`s Schanzer!

Duplizität der Ereignisse
Ein Deja vu hatte sicher jeder von uns schon einmal. Momente, bei denen man sich sicher ist, sie genau so schon einmal erlebt zu haben. Der tschechische Schriftsteller Franz Kafka benutzte solche Dopplungen, die Duplizität der Ereignisse, einst als Stilmittel in seinem Prozess. Ob er wohl damals schon geahnt hat, dass auch den Schanzern solch eine Dopplung ins Haus steht? Wohl eher nicht. Doch nun ist es soweit und zum letzten Spiel in der Hinrunde und folglich auch zum Saisonfinale im Frühsommer treffen die Jungs von Tomas Oral auf die Löwen aus München. Hieß es beim ersten Duell beider Teams in der letzten Saison noch zweitplatzierter FC Ingolstadt 04 gegen den Tabellen-Zehnten 1860, so wird in diesen Tagen das Spiel zu einem Nachbarschaftsduell – natürlich im Doppelten Sinne: denn neben der geografischen Lage befindet sich der TSV direkt einen Platz hinter den Schanzern auf dem dritten Rang. Die Schwarz-Roten sind somit, ebenfalls eine Dopplung, auch bei diesem Duell Tabellenzweite. Einziger Unterschied zum vorherigen Hinrunden-Duell: Diesmal sind die Löwen die Gastgeber bei der Partie im Grünwalder Stadion. In der letzten Spielzeit fand die Hinrunden-Begegnung im Audi Sportpark statt.

Boazn Kini
Wer „Giesing! Sechzge!“, hört, wird wohl schnell eine Melodie im Kopf haben, die weit über die Münchner Stadtgrenzen hinaus bekannt sein dürfte. Wer noch am Grübeln ist, dem sei der Name Markus Stoll verraten, oder sagen wir besser: Harry G, wie sich der Münchner Kabarettist nennt. „Giesing! Sechzge!“, sind schließlich die ersten Worte, die der grantige Rapper „Boazn Kini“, den Harry G in seinem gleichnamigen Musikvideo verkörpert, von sich gibt. Damit macht er schnell klar, dass er in seiner Boazn und Sechziger in Giesing das Sagen haben. Keine Lust auf die Münchner Schickeria, der Stolz auf den TSV 1860 München und eine gehörige Portion Lokalpatriotismus schwingt in dem Grantel-Rap ebenfalls mit. So werden nicht nur Harry G, Markus Stoll und der Boazn Kini ganz genau beobachten, wie sich die Löwen am kommenden Montag bei ihrem Flutlichtspiel gegen die Schanzer schlagen. Auch wir blicken dem Duell mit Spannung und Vorfreude entgegen. Und eines können wir jetzt schon versichern: Ein Giesinger Boazn-Kini möchte Tomas Oral am kommenden Montag nicht werden. Viel lieber wäre es ihm, nach heißen 90 Derbyminuten als Stadion-Kini den Heimweg anzutreten. Und damit auch der tatsächliche Boazn-Kini beruhigt ist: Wir kommen nicht aus Maxvorstadt oder Schwabing, sondern von der Schanz aus Ingolstadt.

Alter schützt vor Tor-Heit nicht
Er ist wahrlich eine Institution beim TSV 1860 München. Trotz seiner mittlerweile 35 Jahre verkörpert Sascha Mölders immer noch den absoluten Torgaranten und vermittelt den Löwenfans mit seiner körperbetonten Spielweise und seinem unermüdlichen Einsatzwillen wie kaum ein anderer den „Sechziger-Spirit“. Mit 15 Treffern und 15 Vorlagen trug der gebürtige Essener in der letzten Spielzeit maßgeblich zum Aufschwung der Löwen zu einem Aufstiegsaspiranten bei. Und auch in der aktuellen Saison konnte Sascha Mölders, der all seine bisherigen Vereine per Tattoo auf seiner Brust verewigt hat, bereits 12 Tore und 2 Torvorlagen beisteuern. Das ist der Löwenanteil bei den Löwen und zeugt von seiner immer noch großen Torgefährlichkeit. Der FC Ingolstadt 04 tut am Montag also gut daran, den „alten“ Sascha keine Sekunde aus den Augen zu lassen.


Sascha Mölders für seine Löwen einst im Pokal-Fight gegen die Schanzer mit Marvin Matip (Foto: Bösl / KBUMM).

Der Kaiser und der König
Statt zum FC Bayern wollte Franz Beckenbauer als Jugendlicher unbedingt zu 1860 München. Bis er 1958 auf einen zornigen Löwen-Spieler traf – Gerhard König verpasste dem „Kaiser“ die folgenreichste Ohrfeige der deutschen Fußballgeschichte. Der junge Franz Beckenbauer spielte als Zwölfjähriger für den SC 1906 aus Obergiesing und es war eigentlich klar, dass er nach Saisonende zu seinem Lieblingsverein, den „Sechzigern“, wechseln würde. Zum Saisonabschluss im April 1958 fand ein Jugendturnier in Neubiberg südöstlich von München statt: Die Schülermannschaft vom großen TSV 1860 traf auf den kleineren SC 1906 aus Obergiesing. Ein feingliedriger SC-Außenstürmer, Jahrgang 1945, konnte besser mit dem Ball umgehen als alle seine Altersgenossen und schoss so viele Tore, dass er zur nächsten Saison für die Sechziger auflaufen sollte. Außerdem stammte dieser Beckenbauer aus dem Arbeiterstadtteil Giesing, traditionell Einzugsgebiet der Löwen, und war erklärter TSV-Fan. Ausgemachte Sache: Gleich fünf Teamkameraden vom SC würden ihm nach der Spielzeit zu 1860 folgen. Einer seiner neuen Mitspieler sollte Gerhard König sein, Jahrgang 1944. Er spielte seit frühester Jugend bei den Löwen und war als Torwart so talentiert, dass Trainer eine große Zukunft sahen und ihn in die bayerische Auswahl berufen hatten. Dieser erinnert sich: „Gegen den SC 1906 half ich überraschenderweise als Verteidiger aus. Beckenbauer war mein Gegenspieler. In einer Szene foulte ich ihn ziemlich hart, da warf er mir einige deftige Beleidigungen an den Kopf. Ich wartete, bis der Schiedsrichter sich wegdrehte, und verpasste ihm eine Watsch´n. Beckenbauer war deshalb stinksauer. Ich hatte die Szene nach dem Spiel schon wieder vergessen und ärgerte mich über unsere knappe 1:2-Niederlage. Bald danach bekam ich mit, dass er nicht zu uns wechseln würde, sondern zum FC Bayern. Und erst viele Jahre später erfuhr ich den Grund dafür.“ Der Kaiser war „not amused“ ob dieser handfesten „Begrüßung“ durch den vermeintlich neuen Mannschaftskollegen: „Für diesen Verein spiele ich nicht“; sagte er und entschied sich für den FC Bayern München, der damals noch den Charme eines „Provinzklubs“ ausstrahlte. Gerhard König soll danach einmal gesagt haben: „Der soll froh sein, dass ich ihm eine gelangt habe.“ Eigentlich nicht von der Hand zu weisen.

Zwischen Statistik und dem eigenen Lauf
Unabhängig vom eigenen fußballerischen Couleur muss man schon zugeben, bei den Löwen läuft es zur Zeit. Das Team von Trainer Michael Köllner holte jahresübergreifend aus den vergangenen vier Partien zehn Punkte und spielte dabei gleich drei Mal zu Null. Einzig beim 2:2 Unentschieden gegen den SV Wehen Wiesbaden musste 60-Schlussmann Marco Hiller doppelt hinter sich greifen. Das bringt den Hellbauen aus München aktuell 30 Zähler und den dritten Tabellenplatz. Längst bekannt also, dass es sich bei dem Spiel gegen die Schanzer auch um ein Nachbarschaftsduell im tabellarischen Sinne handelt. Was ist also drin für Stefan Kutschke und Co? Einerseits lässt sich dem Lauf der Löwen entgegenhalten, dass sie zwar beachtlich punkteten, jedoch speziell gegen die Teams, die oben in der Tabelle stehen, weitaus weniger Erfolg hatten. Da wäre zum Beispiel der sechste Spieltag und das Duell der damals zweitplatzierten Sechziger gegen den Spitzenreiter 1. FC Saarbrücken: Die Hausherren verloren die Partie mit 1:2 gegen Saarbrücken. Ebenfalls eine 1:2 Niederlage mussten die Jungs um Sascha Mölders gegen die SG Dynamo in Dresden einstecken. Tomas Oral und seine Elf werden also gewarnt sein, gegen wahrlich bissige Löwen. Doch andererseits auch unser letzter Auftritt an der Grünwalder Straße gibt Grund zur Hoffnung. Beim ebenfalls in jener Spielstätte beheimateten FC Bayern München II landeten die Schanzer einen 3:1-Auswärtserfolg. Halten wir fest: Die Statistik, unser Kampfgeist und ein gutes Händchen, nein, Füßchen im Grünwalder Stadion stimmen uns zuversichtlich für Montagabend.