Patrick Ebert: Zur Not eckt man mal an – aber ehrlich muss es sein!

Winterneuzugang Patrick Ebert stellt sich vor. (Foto: Brieger)

Patrick Ebert: Zur Not eckt man mal an – aber ehrlich muss es sein!

20. März, 2018 12.00 Uhr

Berlin, Madrid, Moskau: Patrick Ebert hat in seiner Karriere schon einige große Stationen absolviert. Dennoch fühlt er sich im verhältnismäßig beschaulichen Ingolstadt pudelwohl- wir haben mit ihm während einem Stadtspaziergang über seine Auslandserfahrungen, seine bewegte Vergangenheit und seinen Glauben gesprochen. Viel Spaß beim Blick hinter die Schanz!

fci.de: Du warst in Berlin, Spanien und Russland. Was waren Partien, die du nie vergessen wirst?

Patrick Ebert: Bei all meinen Stationen habe ich unglaublich tolle und eindrucksvolle Erfahrungen machen dürfen. Sich bei Valladolid mit Real Madrid und Barcelona zu messen, war eine fantastische Erfahrung. Gegen Real haben wir gar nicht so schlecht ausgesehen und nur mit einem Tor verloren – gegen Barcelona haben wir daheim sogar gewonnen! In Moskau waren es die Derbys gegen Dynamo oder ZSKA, da hat die Luft im Stadion gebrannt. Die Fans sind sowas von leidenschaftlich, teilweise auch verrückt – die ersten fünf Minuten eines Derbys konntest du wegen den Bengalos auf dem Platz weder atmen noch fünf Meter weit sehen. Auch mit Hertha gab es Spiele, die in Erinnerung geblieben sind  – nach unserem Aufstieg zurück in die Bundesliga haben wir gleich mal Meister Dortmund mit 2:1 geschlagen.

fci.de: Was ist das für ein Gefühl, als absoluter Underdog zu Real Madrid oder ins Camp Nou zu fahren?

Ebert: Du weißt, dass du wahrscheinlich verlieren wirst. Aber das darf dich nicht beeinflussen. Der Trainer stellt dich wie auf jedes andere Spiel ein und es geht trotzdem darum, zu gewinnen! Ich bin immer mit der nötigen Portion Demut in diese Partien gegangen, habe dann aber nicht zurückgesteckt und schon gar keine Angst gezeigt. Sobald du das tust, fressen dich Weltklassespieler auf dem Platz auf, die riechen förmlich deine Angst. Ich habe immer einfach versucht, mein Spiel durchzuziehen und der Mannschaft zu helfen.


Foto: Brieger

fci.de: Wo hast du dich bisher am wohlsten gefühlt?

Ebert: Ehrlich gesagt bin ich einfach gestrickt und habe mich bisher überall wohl gefühlt. Ich habe immer versucht, ehrlich und direkt zu sein – nach meiner Erfahrung kommt man dann auch mit fast allen aus, die das zu schätzen wissen. Ich mag es, wenn ich ehrlich sein darf und wenn man zu mir ehrlich ist. So bin ich erzogen worden, und ich glaube, dass man damit am besten durchs Leben kommt. Und man sollte immer freundlich und fair bleiben – dann kommt man in jeder Mannschaft zurecht.

fci.de: Wie bist du zum Fußball gekommen? Über den Bolzplatz?

Ebert: Ich war als Kind etwas hyperaktiv, weshalb meine Mutter mit mir beim Arzt war. Dann gab es die Möglichkeiten Bewegung oder Medizin – meine Mama hat mich zum Glück zum Fußball geschickt, es hat mir sofort irre Spaß gemacht und dann bin ich da hängengeblieben. Mein großes Vorbild mit ungefähr zehn Jahren war David Beckham in seiner Zeit bei Manchester United. Der Knackpunkt war dann mit 15, als meine Mutter nach Norddeutschland gezogen ist und meinte, dass ich dort bei Werder Bremen spielen kann. Ich wollte aber da bleiben und sie hat meine Entscheidung respektiert, woraufhin wir es regeln konnten, dass ich in die Akademie von Hertha BSC komme. Dann habe ich mit circa 18 meinen ersten Profivertrag unterschrieben.

fci.de: Das ist ein sehr junges Alter für den Karriereeinstieg…

Ebert: Ein Profivertrag macht dich noch lange nicht zu einem Profi. Du hast jetzt die Chance, aber wir hatten einen Jugendtrainer, der immer gesagt hat: Du bist kein Profi, wenn du nicht mindestens 100 Bundesligaspiele gemacht hast. Das ist natürlich eine harte Aussage, aber ich habe sie mir eingeprägt und immer als Motivation benutzt, das Beste herauszuholen und ehrgeizig zu bleiben. Ich habe durchaus auch mal Blödsinn gemacht und über die Stränge geschlagen, aber wenn ich trainiert habe oder es auf dem Platz gezählt hat, dann war ich immer mit vollem Einsatz dabei und wollte immer gewinnen. Berlin ist eine Medienstadt und da geht es sehr schnell, dass die Augen auf dich gerichtet sind, wenn man sich eine Verfehlung leistet. In Spanien und in Russland war man etwas mehr unter dem Radar, weil der Fokus auf anderen Teams liegt. Aber ich habe daraus gelernt.


Foto: Brieger

fci.de: Bedingt das eine höhere Verantwortung gegenüber Nachwuchstalenten?

Ebert: Natürlich. Ich sehe es schon auch als eine Aufgabe, wenn möglich, jungen Spielern diese Fehler zu ersparen oder sie zu warnen.

fci.de: Also bist du auch ein wenig Beschützer?

Ebert: Naja, was heißt Beschützer. In Deutschland, glaube ich, ist alles doch sehr beschützt und oft sehr glattgeschliffen, was schon in den Jugendteams anfängt. Die Jungs werden viel professioneller medial gecoacht. Nach einem schlechten Spiel musst du gerade als Nachwuchsspieler immer mal schlucken und nach einem Spiel das richtige sagen. Mittlerweile bin ich ruhiger, aber natürlich habe ich in jungen Jahren auch mal etwas deutlicher meine Meinung gesagt. Das sehe ich aber teilweise immer noch so – zur Not eckt man mal an, aber ehrlich muss es sein. Man sollte sich nie verbiegen lassen.

fci.de: Wie war es für dich, aus der Heimat Berlin in Millionenmetropolen wie Madrid oder Moskau zu ziehen?

Ebert: In Berlin hat dich, vor allem in der Zeit um die Meisterschaft, einfach jeder gekannt und du warst überall willkommen. Ich hätte quasi immer umsonst irgendwo essen können. Spartak ist wie Bayern München in Russland – auf unseren Auswärtsspielen waren immer fünf- bis achttausend Fans mit dabei. Das ist unglaublich beeindruckend, auch die Leidenschaft der Fans. Allerdings standen die auch am Trainingsplatz, wenn mal ein paar Spiele in den Sand gesetzt wurden, das hat also alles seine Vor- und Nachteile. In Spanien war alles etwas anonymer, aber man wurde natürlich in erfolgreichen Zeiten erkannt. Mir ist das aber relativ egal, ob ich irgendwo erkannt werde oder nicht. Das macht dich ja nicht zum besseren Menschen. Du spielst für deinen Verein und versuchst das Beste zu geben – darum geht es.

fci.de: Wo sind die Fans am verrücktesten?

Ebert: Ich habe bei Rayo Vallecano gespielt, dass vergleichsweise das „St. Pauli Spaniens“ ist. Die Fans sind fast alles Linke und Rocker, absolut leidenschaftlich und Lebemenschen, auch Russland hat ziemlich verrückte Fans, genauso wie es sie in Deutschland gibt. Ich denke, das findet man überall und ich wünsche jedem, dass er diese Erfahrungen machen kann. Was ich allerdings zu schätzen wusste, ist die Mentalität und Lebenseinstellung vieler Spanier. Man geht Abends aus, trifft Freunde und das geht auch mal bis in die Nacht. Von dieser Lebensfreude und Lockerheit könnte man sich sicher ab und zu eine Scheibe abschneiden.


Foto: Brieger

fci.de: Natürlich gehst du als Fußballprofi nicht erst nachts um elf Essen, oder?

Ebert: Nein, das war tatsächlich manchmal etwas kurios. Wenn ich mit meiner Familie essen gegangen bin, sind wir teilweise die ersten im Restaurant gewesen und die einzigen geblieben – die Leute sind erst ausgegangen, nachdem wir schon fertig waren (lacht).

fci.de: Wenn deine Karriere irgendwann zu Ende ist, dann willst du … ?

Ebert: Ich denke, dass es eine gute Idee wäre, junge Spieler auf dem Weg zum Profi zu begleiten. Ich habe Erfahrung und kann vielleicht verhindern, dass sie manche Fehler begehen, die ich begangen habe. Wenn du die Chance hast, etwas aus deinem Talent zu machen und dir jemand die Möglichkeit gibt, dann bleib mit den Füßen auf dem Boden und arbeite weiterhin hart an dir, um deine Ziele zu erreichen.

fci.de: Wie stellst du dir das vor in behüteten Zeiten, in denen junge Fußballer den Ratschlag von Vereinen bekommen, sich nicht tättowieren zu lassen und das Abendessen zum Mitnehmen vorgekocht bekommen?

Ebert: Das Abendessen vorgekocht zu bekommen ist doch super – das spart Geld! (lacht) Nein, ernsthaft: Ich denke das Wichtigste ist, eine Persönlichkeit zu bleiben und sich nicht zu verbiegen, bei aller nötigen Professionalität. Wir sind Typen und Straßenfußballer, weil es unser Naturell ist, weil wir immer schon so waren. Ich weiß nicht, ob es mir mit 18 gutgetan hätte, wenn man mir immer gesagt hätte, was ich tun soll. Man hat mir Freiheiten gegeben und deshalb konnte ich so spielen, wie ich es getan habe und mich entwickeln. Das behütet sein hat natürlich seine Vorteile. Aber ich denke, wenn es z.B. um Tätowierungen geht, dann darf das jeder selbst entscheiden, wenn es nicht gerade direkt im Gesicht ist.

fci.de: Du bist gläubiger Muslim und nimmst deine Religion ernst, also befolgst du auch den Ramadan. Was bedeutet dir das und wie lässt sich das mit dem Beruf des Fußballprofis vereinbaren?

Ebert: Man versucht es, so gut es geht, umzusetzen. Wenn der Ramadan in die Saisonvorbereitung fällt ist es natürlich nicht gut für den Körper, während drei Trainingseinheiten am Tag nichts Essen oder vor allem zu Trinken. Ich hole es dann nach, wenn es geht, denn dem eigenen Körper zu schaden wäre ebenfalls gegen die Regel. Für mich ist der Ramadan das Besinnen darauf, dass es Menschen gibt, die nicht immer genügend zu essen oder zu trinken haben. Danach ist es einfach schön, mit Familie oder Freunden das Fastenbrechen zu begehen. Für mich als Muslim ist es ein schöner Monat.

fci.de: Vielen Dank für das Interview, Patrick.