Bundesliga-Helden im Portrait: Teil 15 mit Roger & Darío Lezcano

Südamerikanisches Flair im Herzen Bayerns: Gemütliches Grillen mit den Familien Bernardo und Lezcano.

Bundesliga-Helden im Portrait: Teil 15 mit Roger & Darío Lezcano

30. Juni, 2016 09.30 Uhr

Fiesta Latina im tiefsten Oberbayern. Das heißt vor allem gutes Fleisch, volles Haus und familiärer Zusammenhalt. In einem unscheinbaren Mehrfamilienhaus im Westen Ingolstadts herrschte vor ein paar Monaten freudiges Treiben: Familie Lezcano, Mama Lilian und Papa Darío mit drei quirligen Kindern, sind regelmäßig zu Gast im Hause Bernardo. Während Jonathan, Dante und Fionna in friedlicher Eintracht das Wohnzimmer unsicher machen, sind die Männer traditionell für die Kür des Fleisches zuständig. Ein Spritzer Limette, eine Prise Meersalz – erfrischend und solide, wie der Nationalstürmer Paraquays und der brasilianische Abräumer persönlich. Viel Spaß beim letzten Teil unseres Rückblickes: Bundesliga-Helden im Portrait!
fci.de: Hallo ihr Beiden! Wir begleiten euch heute beim gemeinsamen Grillen. Ist das eine wöchentliche Tradition und wieviel Freizeit verbringt ihr ansonsten gemeinsam?

Darío: Das kommt schon öfters vor, oder Roger? Nein, im Ernst, wir verbringen fast unsere ganze Freizeit gemeinsam. Unsere Frauen sind auch jeden Tag zusammen, gehen ins Fitnessstudio, einkaufen oder kochen.

Roger: Ja, wir und auch unsere Familien verbringen wirklich viel Zeit miteinander. Zum Beispiel treffen wir uns bei einem von beiden, bringen dann paraguayische oder brasilianische Spezialitäten mit und lernen uns so noch besser kennen. Und wenn Darío wie über Ostern mit der Nationalmannschaft unterwegs ist, passe ich mit meiner Frau auf den Hund auf. So helfen wir uns gegenseitig.


Traditionielles "Barbecue" im Hause Bernardo.

fci.de: Hilfe ist ein gutes Stichwort: Darío, hat dir Roger den Einstieg bei den Schanzern erleichtert?

Darío: Ja, er hat mir sehr viel geholfen und ich bin ihm wirklich dankbar dafür. Sowohl im Verein als auch privat hat er mir einiges gezeigt. Zum Beispiel die grundlegenden Sachen in der Kabine: Wo finde ich meine Trainingskleidung? Oder auch im Alltag, wo ich am besten einkaufen gehe oder wo man gut essen gehen kann. Ich bin ja direkt mit meiner Frau und meinen drei Kindern nach Ingolstadt gekommen, da war Rogers Hilfe sehr wichtig für mich.

Roger: Dafür muss Darío mir aber auf dem Feld helfen. Er ist noch jünger und läuft für mich mit (lacht).
fci.de: Roger, was waren zu Beginn deine wichtigsten Tipps für Darío?

Roger: Am hilfreichsten war wahrscheinlich, wo man die Produkte aus unserer Heimat findet. Auch für Daríos Familie ist es am Anfang nicht einfach in einer neuen Stadt und einem neuen Land, da sind sie für jede Hilfe dankbar. Vor allem ist es wichtig, schnell eine passende Wohnung zu finden. Die Probleme hatte ich am Anfang auch und konnte ihm daher ein bisschen was von meinen Erfahrungen weitergeben. Wenn man ein Zuhause gefunden hat, ist es deutlich einfacher und der Kopf ist komplett frei für den Fußball!

fci.de: Auf welcher Sprache unterhaltet ihr euch eigentlich: Spanisch, Portugiesisch oder sogar Deutsch?

Darío: Wir nennen es Portuñol.

Roger: Ja, das trifft es. Meistens ist eine Mischung aus Spanisch und Portugiesisch, manchmal ist auch ein bisschen Deutsch dabei.

fci.de: Ihr kommt aus Paraguay und Brasilien, seid also beide Südamerikaner. Verbindet das automatisch und wenn ja, warum?

Darío: Ja, das verbindet schon. Wir Latinos ticken ähnlich und verstehen uns in der Regel von Beginn an gut. Paraguay und Brasilien sind ja Nachbarländer und haben eine ähnliche Kultur. Auch wenn Roger Portugiesisch spricht, fällt die Verständigung zwischen Südamerikanern doch meistens sehr leicht.

Roger: Darío hat Recht, wir sind beide „Latinos“ und das verbindet sehr. Ich habe mich im Winter sehr gefreut, als ich hörte, dass uns ein Spieler aus Paraguay verstärkt. Wir haben meistens dieselben Interessen und lieben das Leben. Bei uns hat die Familie einen sehr hohen Stellenwert und wir haben meistens volles Haus, ob zum Grillen oder einfach nur Beisammensein. Auch meine Frau hat sich sehr gefreut und unternimmt viel mit Daríos Ehefrau und seinen Kindern.


Daríos Tochter bei "Onkel Roger" auf dem Arm.

fci.de: In Südamerika bekommt man den Fußball wahrscheinlich in die Wiege gelegt. Wann hattet ihr das erste Mal mit Fußball zu tun?

Roger: Oh je, da kann ich mich gar nicht mehr richtig dran erinnern. Meine Mama hat mir erzählt, dass ich mit drei Jahren im Hausflur immer mit dem Ball gespielt und die Türe als Tor genutzt habe. Also ich habe auf jeden Fall früh damit begonnen!

Darío: Meine Familie hatte nicht viel Geld, deshalb hatten wir früher nur einen Gummiball. Mit dem haben wir dann bis zum Umfallen gespielt oder bis er irgendwann kaputt war. Das müsste so mit vier oder fünf Jahren gewesen sein.

fci.de: Roger, hast du vor Daríos Wechsel schon von ihm gehört oder ihn sogar spielen sehen?

Roger: Ich habe lediglich gehört, dass ein paraguyanischer Nationalspieler zu uns wechseln wird. Als klar war, dass Darío unser Neuzugang wird, habe ich mir einige Szenen von ihm auf YouTube angesehen. Schon da war offensichtlich, dass er sehr gute Freistöße schießen kann und auch sonst viel Qualität mitbringt.

fci.de: Apropos Freistöße: Ihr seid beide Standard-Spezialisten und habt bereits je ein Saisontor per direktem Freistoß erzielt. Gibt es da manchmal Streit, wer schießen darf?

Darío: Nein, Streit gibt es nie. Wir sprechen uns vorher immer ab und wer sich sicher fühlt, der schießt. Mal schieße ich, mal Roger oder auch Pasce [Pascal Groß].

Roger: Wir fühlen uns aber meistens beide sicher (lacht). Ich denke, dass wir eine ähnliche Technik haben, Darío schießt vielleicht noch ein bisschen stärker. Meistens entscheiden wir spontan, wer antritt. Zum Beispiel schieße ich nicht, wenn ich gefoult wurde wie beim Heimspiel gegen Stuttgart.

fci.de: Was würdet ihr als jeweils größte Stärke des anderen bezeichnen?

Darío: Roger ist ein wahnsinnig intelligenter Spieler, das beeindruckt mich. Er antizipiert viele Situationen, positioniert sich dann clever und trifft fast immer die richtigen Entscheidungen. Man merkt einfach, dass er schon sehr viel Erfahrung hat.

Roger: Darío kann sehr gut den Ball festmachen und halten. Er setzt sich auch gegen mehrere Abwehrspieler gut durch und ist kopfballstark! In der Bundesliga musst du robust sein und dich durchsetzen können, das kann er absolut!

fci.de: Darío, du warst vor deinem Wechsel in die Bundesliga fast acht Jahre in der Schweiz. Was sind die Unterschiede zum Leben hier in Ingolstadt?

Darío: Die Menschen hier in Bayern sind ein wenig offener als in der Schweiz, dort ist die Mentalität verschlossener. Ansonsten ist es denke ich vergleichbar, das Wetter ist auf jeden Fall ähnlich. Aber allzu lange bin ich ja noch nicht hier.

fci.de: Wie ist das Leben für euch in Ingolstadt, gibt es große Unterschiede zum Alltag in eurer Heimat?

Darío: Das Leben in Paraguay ist sehr einfach und unkompliziert. Egal ob es um Essen oder den Lebensunterhalt an sich geht. Aber natürlich gibt es auch einige Nachteile, zum Beispiel ist es weitaus gefährlicher. Vor allem wenn bekannt ist, dass man durch seinen Beruf überdurchschnittlich verdient.  Dann muss man einfach wachsamer sein, die Sicherheit ist nicht die gleiche wie hier in Deutschland oder der Schweiz.

Roger: In Deutschland ist es sicherer und daher oftmals angenehmer. Kinder können problemlos auf der Straße oder im Garten spielen, das ist in Brasilien nicht immer möglich. Nichtsdestotrotz ist Brasilien meine Heimat und mein Herz gehört dorthin! Aber ich bin Deutschland wahnsinnig dankbar und es ist mittlerweile wie eine zweite Heimat für mich. Im Endeffekt hängt es auch immer davon ab, wie man sich verhält. Wenn man keine Arroganz an den Tag legt, bodenständig bleibt und viel Nächstenliebe weitergibt, hat man – egal wo auf dieser Welt – wenig Probleme.


Hat in Deutschland seine "zweite Heimat" gefunden: Roger Bernardo.

fci.de: Wie würdet ihr die Deutsche Mentalität beschreiben?

Roger: Die erste Zeit in Deutschland war für mich nicht ganz leicht. In Cottbus, meiner ersten Station in Deutschland, waren die Menschen eher verschlossen, vor allem im Alltag auf der Straße, fernab vom Fußball. Hier in Ingolstadt ist das besser, auch der bayerische Dialekt gefällt mir sehr gut: „Basst scho“, „gmahde Wies’n“ und so habe ich schon gelernt. Aber wenn es zu heftig wird mit dem Bayerischen, wie bei unserem Zeugwart oder Physiotherapeut, dann habe ich manchmal das Gefühl, dass ich kein Wort Deutsch kann.

Darío: Die deutsche Mentalität ist eigentlich ähnlich wie die schweizerische. Vom Dialekt her muss ich mich nun ein bisschen umgewöhnen. Was für mich typisch Deutsch ist und bleibt, ist das Bier! Vor allem Weißbier und Weißwurst mit süßem Senf, das kannte ich sogar schon aus der Schweiz.


Im Gespräch über die Unterschiede zwischen Südamerika und Europa: Darío Lezcano.

fci.de: Habt ihr etwas Typisches aus eurer Heimat auf das ihr hier nicht verzichten wollt?

Darío: Bei uns in Paraguay wird viel Mate Tee getrunken. In der Schweiz wusste ich, wo ich alles zur Zubereitung kaufen kann, hier in Ingolstadt muss ich das erst noch finden.

Roger: Nach fast sieben Jahren in Deutschland habe ich da wenige Probleme. Über das Internet bekommt man ja mittlerweile fast alles und falls nicht, bringe ich es aus der Heimat mit oder lasse es mitbringen.

fci.de: Welchen Stellenwert hat die Bundesliga in euren Heimatländern?

Darío: Einen sehr hohen. Die englische Premier League ist wahrscheinlich die beliebteste Liga in Paraguay und danach kommen schon die Bundesliga und die Primera División.

Roger: Für mich ist die Bundesliga neben der Premier League die beste Liga der Welt und dementsprechend beliebt ist der deutsche Fußball in Brasilien. Vor allem seit der Weltmeisterschaft 2014 hat die Begeisterung für die Bundesliga nochmal zugenommen. Seit wir mit Ingolstadt in der Bundesliga spielen, ist es für meine Familie noch leichter unsere Spiele zu verfolgen. Da sitzt dann die ganze Verwandtschaft gebannt vor dem Fernseher.

fci.de: Darío, für dich geht es im Sommer zur Copá America. Was hast du dort mit der Albirroja für Ziele?

Darío: Erstmal ist es großartig, dass wir teilnehmen dürfen, das bedeutet uns sehr viel. Wir haben noch keine Ziele definiert, vor allem weil es ein wahnsinnig schweres Turnier wird mit vielen guten Mannschaften auf einem ähnlichen Niveau.

fci.de: Was bedeutet es für dich, für dein Heimatland aufzulaufen?

Darío: Es ist eine Ehre und ein großes Glücksgefühl für sein Heimatland aufzulaufen. Jedes Spiel ist für mich sehr emotional, wenn man weiß, dass das Ganze Land zuschaut.

fci.de: Roger, du hast den Sommer über frei. Wie sehen deine Pläne für die freie Zeit aus?

Roger: Wir werden auf jeden Fall in die Heimat nach Brasilien fahren. Nach einiger Zeit mit der Familie, werde ich mit meiner Frau noch durch das Land reisen. Wir kennen zwar schon viel, aber Brasilien ist so groß, da gibt es noch viel zu entdecken.