Wurzeln und (Stadion-)Vielfalt: 5 Geschichten zum Spiel gegen Türkgücü München

Ilmari Niskanen wird im Hinspiel dicht bedrängt (Foto: Bösl / KBUMM).

Wurzeln und (Stadion-)Vielfalt: 5 Geschichten zum Spiel gegen Türkgücü München

06. März, 2021 14.00 Uhr

Zeitweise war mal kurz Sand im Getriebe, mittlerweile ist der freche Aufsteiger aus München wieder in der Spur und punktet fleißig. Jetzt kommt Türkgücü München erstmals in den Audi Sportpark (Montag, 19 Uhr). Mit unseren fünf Geschichten möchten wir Euch, liebe Fans, auf das Match einstimmen. Sie handeln diesmal unter anderem von einem dringend notwendigen Navi, dem Duo Infernale und einem Rückzug vom Rückzug. Außerdem werfen wir den Blick auch auf die jüngsten Auftritte unseres kommenden Kontrahenten.

Türkgücü München bereichert die Liga
Ein absolutes Novum – Türkgücü München ist der erste von (türkischen) Migranten gegründete Verein, der am deutschen Profifußball teilnimmt. „Die Liebe zum Fußball verbindet seit jeher Kulturen, bewahrt Traditionen und überwindet gesellschaftliche Hürden“ ist auf der Historienseite des Clubs zu lesen und begründet dessen Grundsteinlegung 1975, türkischstämmigen Fußballbegeisterten ein Zuhause zu geben und die Möglichkeit zu bieten, aktiv am bayerischen (Fußball-) Leben teilzunehmen, um den in beiden Kulturen so geliebten Sport zu fördern. 1988 stieg der damalige SV Türk Gücü München unter Trainer Peter Grosser in die Bayernliga auf. Mit kurzer Unterbrechung spielte das Team bis 1996 in der seinerzeit drittklassigen Bayernliga. Im Jahr 2001 musste der Verein Insolvenz anmelden. Als Nachfolgeverein wurde der Türkische SV München gegründet, der gleich in seiner ersten Saison aus der Landesliga abstieg und 2005 den Gang in die Bezirksliga gehen musste. Im Jahre 2008 dann der bisherige Tiefpunkt der Vereinsgeschichte – es ging hinunter in die Kreisliga. Der Türkische SV fusionierte daraufhin mit dem Bezirksligisten SV Ataspor München, der im Jahre 1981 als Abspaltung des SV Türk Gücü München entstanden war. Der SV Türkgücü-Ataspor stieg im Jahre 2013 in die Landesliga auf. Am 1. Januar 2016 stieg dann der Unternehmer Hasan Kivran, der früher selbst für den Vorgängerverein gespielt hatte, als Präsident beim SV Türkgücü-Ataspor ein und investierte hohe Summen. Damit begann nach mehreren Jahren Abstiegskampf der Aufschwung. Nach Startschwierigkeiten sicherte die Meisterschaft den Aufstieg in die Bayernliga. Gleich in der ersten Saison gelang als Meister der Südstaffel der Durchmarsch in die Regionalliga Bayern. Nach diesem Etappenziel wurde im Juni 2019 eine Namensänderung auf Türkgücü München beschlossen. Darüber hinaus übernahm Reiner Maurer, der Erfahrungen aus dem Profifußball mitbrachte, das Traineramt des Kaders, der nahezu komplett ausgetauscht wurde. Erfahrene Drittliga- und Regionalligaspieler, wie beispielsweise der Ex-Schanzer Karl-Heinz Lappe, wurden verpflichtet. Nach einem ordentlichen Start und einer zwischenzeitlichen Tabellenführung am 2. Spieltag eroberte die Mannschaft am 14. Spieltag erneut die Tabellensspitze und feierte nach 17 Spielen die Herbstmeisterschaft. Mitte März wurde der Spielbetrieb deutschlandweit aufgrund der Pandemie unterbrochen, zu diesem Zeitpunkt stand Türkgücü weiterhin auf dem 1. Tabellenrang. Der BFV meldete den Verein am 21. Juni 2020 ordentlich als Aufsteiger für die 3. Liga zur Saison 20/21. Dort begegnete man nun erstmals in einem Pflichtspiel dem FCI. Trotz Traumtor von Thomas Keller per Freistoß stand es am Ende 1:1-Remis – und Türkgücü war an jenem Nachmittag mindestens auf Augenhöhe.

Noch nicht ganz in Fahrt und ein Rückzug vom Rückzug
Der Trend stimmt bei den Münchnern, aber nach einer heißen Hinrunde (31 Punkte, Platz 4) ist die Entwicklung im zweiten Saisonabschnitt insgesamt durchwachsen: Türkgücü erzielte in den bisherigen sieben Begegnungen neun Punkte, das macht den 9. Platz in der Rückrundentabelle. In der Rückrunde ist der ambitionierte Aufsteiger also noch nicht ganz so sehr in Fahrt. Möglicherweise auch das Ergebnis der Querelen aus dem Winter: Da wurde zumindest in der Öffentlichkeit kurzzeitig über den Totalzusammenbruch spekuliert, es kam zu Spielerverkäufen. Dann die plötzliche Kehrtwende: Investor Kivran machte doch weiter und revidierte seine Rückzugsentscheidung. 

Große Ambitionen – keine Zeit zu verlieren…
Seit dem 23. Februar trainiert Serdar Dayat Türkgücü München. Der 51-Jährige trat die Nachfolge von Alexander Schmidt an, von dem sich der Aufsteiger Anfang Februar nach fünf Spielen ohne Sieg getrennt hat. „Mit Serdar Dayat haben wir den Coach gefunden, der unser seit Jahren harmonierendes Trainergespann bestmöglich leiten kann“, so Geschäftsführer Max Kothny in einer Mitteilung. „Serdar Dayat hat gemeinsam mit den Co-Trainern bereits die Planung für die restlichen Saisonspiele in Angriff genommen. Wir sind zuversichtlich, dass wir durch die intensive und kollegiale Zusammenarbeit innerhalb des Trainerteams sportliche Erfolge feiern können.“ Bei seinem Einstand als neuer Trainer musste er sich mit einem 1:1 in Zwickau zufriedengeben, Sercan Sararer verhinderte gar die Pleite mit seinem Treffer.

Das Signal des Trainer-Wechsels jedenfalls war klar: Nach dem „Rückzug vom Rückzug“ des Investors ist man bei Türkgücü fest entschlossen, schon zeitnahe in höheren Sphären zu erscheinen.


Die Mannschaft von Türkgücü München zu Beginn der Saison 2020/21.

Wohin denn heute? – Navi notwendig!
Gäbe es kein Coronavirus, für die Türkgücü-Fans wäre es bei Heimspielen gar nicht so einfach, das richtige Stadion anzusteuern. Als einziger Proficlub ohne eigene Spielstätte pendelt das Team zwischen dem Grünwalder Stadion, in dem auch der TSV 1860 und der FC Bayern II ihre Heimspiele austragen und dem Münchener Olympiastadion, in dem bis zu acht Heimspiele ausgetragen werden dürfen. Als „uneingeschränkt verfügbare Spielstätten“ wurden außerdem die Würzburger Flyeralarm- sowie die Wacker-Arena in Burghausen als Austragungsort für die Heimpartien gemeldet. Im Jahr 2021 wurden bisher allerdings alle „Heimspiele“ im Städtischen Stadion an der Grünwalder Straße ausgetragen.

Das Duo Infernale
Sie sind fraglos das offensive Topduo der Dritten Liga. Sercan Sararer und Petar Sliskovic mischen seit Saisonstart die Abwehrformationen der gegnerischen Mannschaften gnadenlos auf. Der deutsch-spanische Türke Sararer, vor seinem Engagement bei Türkgücü beim Karlsruher SC, Greuther Fürth und Fortuna Düsseldorf unter Vertrag, ist mit neun Toren und elf Assists knapp hinter Nicklas Shipnoski (Saarbrücken, 21 Scorer-Punkte). Sein kongenialer Offensivpartner Sliskovic ist ebenfalls ein Top-Vollstrecker: Schon zwölf Buden hat der Routinier zu verzeichnen, hinzu kommen drei Vorlagen (Statistiken: Kicker). Wohl dem Verein, der seine Defensive „gegentorlos“ auf die beiden einstellen kann. Dem FCI ist es im Hinspiel nicht gelungen, da markierte der 30-Jährige den Ausgleich. Und Sararer? Der 31-jährige war im ersten Aufeinandertreffen gesperrt, läuft aber derzeit wieder richtig heiß: In den letzten vier Begegnungen traf Sararer dreimal. Die Schanzer müssen also von der 1. Minute an auf der Hut sein!


Tatsache: Caiuby und Sararer duellierten sich schon vor vielen Jahren. Hier die beiden „Youngsters“ in einem Testspiel, Sararer damals noch für Fürth im Einsatz (Foto: Bösl / KBUMM).